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100.000 Euro für Gesundheitsregion Münster: zu wenig Wissen über Medizinprodukteverordnung

NRW will hiesige Hersteller von Medizinprodukten stärken

Die EU will Medizinprodukte, wozu beispielsweise Corona-Schnelltests, Implantate, Herzschrittmacher, Infusionsmittel und Verbandsstoffe zählen, noch sicherer machen. Bestmöglicher Patientenschutz soll garantiert werden. Die neuen Anforderungen stellen aber gerade kleine und mittlere Hersteller sowie innovative Start-ups auch in der Gesundheitsregion Münster vor große Herausforderungen: Die Erfüllung der EU-Regularien gleicht einer Mammut-Aufgabe. Hinzu kommt, dass viele Betriebe die Schäden bei Missachtung der Medizinprodukteverordnung noch nicht richtig einordnen. Aus diesem Grund unterstützt das Land NRW die münsterländische Medizintechnikbranche mit 100.000 Euro zum Aufbau einer Informationsplattform samt unterstützender Netzwerkangebote. Für die Förderung haben sich die CeNTech GmbH, Bioanalytik Münster e.V. und das Netzwerk Gesundheitswirtschaft Münsterland e.V. stark gemacht und jetzt die Zusage erhalten. Sie arbeiten bereits eng in dem EU geförderten Projekt MATMED zusammen, das Innovationen im Medizinsektor gezielt voranbringen will.

Wissen stärkt Wettbewerbsfähigkeit: „Die vom Land NRW geförderte Initiative in der Gesundheitsregion Münster wird eine Vielzahl von Medizinherstellern erreichen und diese zur besseren Umsetzung der Medizinprodukteverordnung befähigen“, hebt Dr. Holger Winter, der wissenschaftliche Leiter der CeNTech GmbH, die Dringlichkeit hervor. Adressiert werden vor allem kleine und junge Unternehmen, denen es an Know-how und Manpower mangelt. „Es gilt unter anderem gestiegene Anforderungen an das Qualitätsmanagementsystem und die technische Dokumentation inklusive der klinischen Bewertung und Prüfung von Medizinprodukten zu berücksichtigen“, ergänzt Bioanalytik Münster-Geschäftsführerin Dr. Kathleen Spring, die auch als Technologiescout im Life-Science-Bereich und Unterstützerin regionaler Firmen in der Innovationsentwicklung agiert. Monique Bruns, Geschäftsführerin des Netzwerks Gesundheitswirtschaft Münsterland e.V., betont: „Es wäre fatal, wenn Medizinprodukte hiesiger Firmen wegen mangelnder Kenntnisse und scheiternder Zertifizierungen vom Markt genommen werden müssen.“ Das diene weder den Patientinnen und Patienten noch den Herstellern, die in ihrer Wettbewerbsfähigkeit geschwächt werden und schlimmstenfalls gleich mit vom Markt verschwinden.

Das Trio berichtet von einem Seminar im Center for Nanotechnology Münster Ende November, in dem eine Expertin vom TÜV Süd vordringlich kleine und überaus dankbare Firmen über die Regularien informierte. Die seit 26. Mai 2021 geltende europäische Verordnung über Medizinprodukte will mittels strengerer Vorgaben den Sicherheitsstandard bestmöglich steigern, indem fehlerhafte oder risikobehaftete Materialien vom Markt ausgeschlossen werden. Zusätzlich werden ab dem 26. Mai 2022 auch für In-vitro-Diagnostika neue Maßstäbe gesetzt. Die Folge: Alle Produkte kommen auf den Prüfstand, werden hinsichtlich Sicherheit und Qualität neu bewertet und erst dann wieder in den Verkehr gebracht, wenn die Behörden grünes Licht geben.

Und das ist auch für das Land NRW von großer Bedeutung. Mit mehr als 6.200 Unternehmen und mehr als 26.000 Beschäftigten gilt die Medizintechnikbranche gemäß einer Potenzialstudie als Wachstums- und Innovationsmotor. Eine langfristige, bedarfsorientierte Strategie zur Unterstützung heimischer Medizintechnikhersteller und -zulieferer ist daher auch im Landesinteresse. Hinzu kommt, dass das Gesundheitsministerium NRW in Bezug auf die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten die oberste Aufsichtsbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen darstellt. Es steuert die Gewährleistung einer gesicherten und ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten. Weiterhin nimmt das Ministerium Einfluss auf die Qualität und Sicherheit der Produkte, um somit zu ihrer Verbesserung beizutragen.

Brisant ist im Zusammenhang mit der Medizinprodukteverordnung, dass in Europa bislang nur eine Handvoll „Benannter Stellen“ zur Verfügung stehen, die wie TÜV oder Dekra für die Zertifizierung neuer und die Rezertifizierung von bereits auf dem Markt befindlichen Produkten zuständig sind. So kann es vorkommen, dass kleine und mittlere Unternehmen gegenüber großen Playern mit einer Vielzahl von zu zertifizierenden Produkten schon einmal das Nachsehen haben und sich anstellen müssen. „Ein klarer Wettbewerbsnachteil“, sagen die Experten. Hinzu kommt: Die europaweit „Benannten Stellen“ müssen selbst erst Zertifizierungsprozesse durchlaufen, ehe sie die verschärften Anforderungen der neuen Medizinprodukteverordnung erfüllen. „Das ist für Hersteller auf der Suche nach Anlaufstellen nicht gerade beruhigend“, meint Winter. Notgedrungen wird das neue Informationsangebot neben den regulatorischen Grundlagen der Verordnungen auch auf diese Aspekte eingehen.